Ein Kraut, das gegen vieles gewachsen ist
Artemisia annua, der Einjährige Beifuss, kommt ursprünglich aus Asien und ist in der Traditionellen Chinesischen Medizin schon seit über 2000 Jahren als Heilpflanze bekannt. Seit jeher wird sie dort gegen fieberhafte Erkrankungen und Entzündungen sowie zur Immunstärkung eingesetzt.
Die Pflanze enthält eine eine Vielzahl gesundheitsfördernder Wirkstoffe. Unter anderem Flavonoide, essentielle Aminosäuren, Eisen, Mangan, Calcium, Zink, sowie ätherische Öle, Antioxidantien und Bitterstoffe. Ihre Bitterstoffe unterstützen die Gallenblase, Leber und Bauchspeicheldrüse, und wirken somit sehr verdauungsfördernd. Der hohe Vitamin-E-Gehalt wirkt stark antioxidativ. Zudem sollen die Wirkstoffe synergetisch wirken, so dass die Verwendung der ganzen Pflanze wirksamer ist, als die Verwendung einzelner Wirkstoffe. Der Artemisia annua werden für verschiedenste Beschwerden vorbeugende oder heilende Wirkungen zugeschrieben, so dass sie in der Volksheilkunde unter anderem bei Infektionen, Erkältungskrankheiten, Fieber, Pilzbefall, Parasiten oder zur Stärkung des Immunsystems angewendet wird.
Bekanntheit erlangte die Pflanze aber vor allem wegen des Wirkstoffs Artemisin, ein wichtiger Wirkstoff gegen Malaria.
Die Wieder-Entdeckungsgeschichte des Artemisins
Die Wieder-Entdeckungsgeschichte des Artemisins ist sehr spannend. Nachdem während des Vietnamkriegs mehr Soldaten an Malaria starben, als an den eigentlichen Kampfhandlungen, wurde 1967 in China unter Mao Zedong ein geheimes Forschungsprojekt initiiert, mit dem Ziel ein schnell wirkendes Medikament ohne Resistenzen und Nebenwirkungen gegen Malaria zu finden. Über 40.000 Wirkstoffe wurden untersucht. Zu den über 500 rekrutierten Wissenschaftlern gehörte auch die Pharmakologin Youyou Tu, deren Mann zu dieser Zeit Gefangener in einem Arbeitslager war. Sie musste ihre Tochter daher zunächst in ein Kinderheim zur Obhut geben. Youyou Tu hatte Pharmazie studiert und eine Ausbildung in traditioneller chinesischer Medizin absolviert. Ihr Team hatte die Aufgabe, in der antiken chinesischen Literatur Hinweise auf gegen Malaria wirksame Substanzen zu suchen. Sie stiessen unter anderem auf Rezepturen, die aus Einjährigem Beifuss zubereitet werden. Die Forschungsergebnisse mit verschiedenen Artemisia-Extrakten waren sehr wechselhaft. Erst nach genauer Studie der beschriebenen Zubereitung stellte sie fest, dass der Wirkstoff durch zu grosse Hitze zerstört wird. Gemäss der alten Rezepturen müssen die Artemisia Blätter eingeweicht und ausgepresst werden. 1972 schliesslich war Artemisin, der heute wichtigste Wirkstoff gegen Malaria, verfügbar.
Da es sich um ein Geheimprojekt handelte, durften die Ergebnisse zunächst nicht publiziert werden. Und als sie schliesslich publiziert wurden, erfolgte dies anonym. Es mussten noch einige Jahre vergehen, bis die WHO 2001 schliesslich eine Therapie mit Kombipräparaten auf der Basis von Artemisin empfahl. Die amerikanischen Malariaforscher Louis Miller und Xinzhuan Su begaben sich erfolgreich auf Spurensuche der Artemisin-Wieder-Entdeckerin, die 2015 im Alter von 85 Jahren mit dem Nobelpreis der Medizin ausgezeichnet wurde.
Und so ist Artemisia annua seit 2015 in aller Munde. Es gibt auch Studien zum Einsatz bei Krebs. Artemisia annua kann Zellen mit höherer Eisenkonzentration, was z.B. auf Tumorzellen zutrifft, zerstören.
Und dann kam die Novel-Food-Verordnung
2018 wurde Artemisia annua in der Novel-Food-Verordnung als "neuartiges Lebensmittel" gelistet. Darunter versteht man Lebensmittel für den menschliche Verzehr, die vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang verwendet wurden. Artemisia annua ist damit nicht grundsätzlich verboten, doch zur Vermarktung der Pflanze als Lebensmittel bedarf es einer Zulassung bei der Europäischen Union. Und wenn Artemisia annua mit dem Ziel der Behandlung oder Vorbeugung einer Krankheit vermarktet wird, gilt es als Arzneimittel, für das es wiederum einer Zulassung nach dem Arzneimittelrecht bedarf. All dies führt letztlich nur zu zusätzllichen finanziellen Belastungen für die Hersteller und Endverbraucher.
Dies hat der promovierte Apotheker Dr. Hans-Marin Hirt zu spüren bekommen, der sich als Entwicklungshelfer seit Jahrzehnten mit der Wirkung der Heilpflanze befasst und sich für ihre Verbreitung eingesetzt hat. Er ist der Gründer des Vereins Anamed und hat in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorganisation eine optimierte Version der Pflanze unter dem Namen "A 3" gezüchtet. Das Land Baden-Württemberg selbst hat die Verbreitung von Artemisia in Burundi mit 50.000 Euro unterstützt. Dann begann der Verein, auch Artemisiatee in Deutschland zu verkaufen. Doch bereits nach einem Jahr Teeverkauf in Deutschland wurde der Verein wegen des Vertriebs illegaler Arzneimittel angezeigt. Für den Vertrieb der Blätter ist aus rechtlichen Gründen daher der Versand Teemana zuständig. Doch 2019 sprachen die Behörden für Teemana ein Verkaufsverbot aus, da für "neuartige Lebensmittel" erst eine Sicherheitsprüfung zu bestehen sei. Es folgte ein 3 Jahre langer Rechtsstreit, inklusive 3 Monate langer Versiegelung der Bestände. Die Bestände sind wieder entsiegelt, dürfen aber nicht als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden.So heisst es in dem vom Verwaltungsgericht Stuttgart ausgefertigten Beschluss.
Dies erklärt, warum es schwer ist, Produkte aus Artemisia annua zu kaufen, bzw. zu verkaufen. Ein Anbau im Garten ist allerdings erlaubt. Und das ist gar nicht so schwer.
Artemisia annua einfach selbst im Garten pflanzen
Samen können ab März in Töpfen im Haus vorgezogen werden. Jungpflanzen kann man in Deutschland bei der Umbach Bioland Gärtnerei, und in der Schweiz in Bottis Kräutergärtnerei beziehen. Die Pflanze ist einjährig und kann versamen, allerdings reduziert sich die Wirkstoffdichte mit der Zeit, denn Zuchtformen haben eine höhere Wirkstoffdichte als Wildformen.
Die Jungpflanzen werden nach den Eisheiligen aus der Vorzucht direkt ins Beet umgesetzt. Sie mögen einen sonnigen Standort und eine gute Wasserversorgung. Alle Böden sind geeignet. Um den Pflanzen ausreichend Platz für Wachstum zu geben, sollten sie etwa einen halben Meter Abstand haben. Die Erde sollte locker und fruchtbar sein. Man kann mit Hornspäne, Rasenschnitt oder Beinwellblättern düngen.
Die höchste Wirkstoffdichte hat die Pflanze im August. Blätter und Triebe können ständig geerntet werden. Das Artemisinin ist hauptsächlich in den Blättern der Pflanze zu finden.
Vielfältige Verwendungsmöglichkeiten
Artemisia annua kann man unter anderem als Pulver, Tee, Tinktur, oder als Salbe verwenden. Es gibt eine grosse Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten, sowohl innerlich als auch äußerlich.
Für die Zubereitung als Tee werden ein bis zwei Teelöffel des getrockneten Krautes mit einer Tasse 80 Grad heißen Wassers übergossen zehn Minuten ziehen gelassen. Der Tee kann ein- bis dreimal täglich getrunken werden.
Blattschnitt können bei Teemana, der Umbach Bioland Gärtnerei oder Bottis Kräutergärtnerei bezogen werden.
Herstellung einer Tinktur
Ein Schraubglas locker mit zerkleinerten, frischen Artemisia annua Blättern befüllen. 50 - 70 %igen Alkohol darüber giessen und oben einen kleinen Rand frei lassen. 4 bis 6 Wochen bei Zimmertemperatur und ohne Sonneneinstrahlung ziehen lassen. Täglich 1 x schütteln. Durch einen Kaffeefilter abgiessen.
Innerlich kann die Tinktur bei Verdauungsstörungen und Fieber eingesetzt werden. Äusserlich bei Hautproblemen, Gürtelrose und Fusspilz. Durch den Alkohol als Lösemittel lassen sich auch die schlechter wasserlöslichen Wirkstoffe ausschöpfen.
Herstellung einer Salbe
2.5 - 5 g zerkleinerte Artemisia annua Blätter mit 100 g Olivenöl im Wasserbad erhitzen und 1 h köcheln lassen. Danach die Blätter abfiltern und das heisse Öl mit 10 g Bienenwachs als Konsistenzgeber verrühren und in sterile Tiegel füllen. Die Salbe ist ca 1 Jahr haltbar.
Die Salbe kann bei Hämorrhoiden, Dermatitis, Hautpilzen wie Fußpilz und Neurodermitis verwendet werden. Unsere Tochter hat während ihrer Neurodermitis-Schübe viele Cremes als brennend empfunden. Wir waren sehr dankbar für diese Salbe.