Fasten ist Bestandteil aller Kulturen und Weltreligionen. Schon die alten Griechen und Ägypter haben zeitweise auf bestimmte Nahrungsmittel verzichtet, zur Förderung der Gesundheit und zur Schärfung ihrer Sinne. Der Verzicht auf Weltliches soll den Geist empfänglich machen für Geistiges.

Gleichzeitig hat Fasten eine lange medizinische Tradition. Seit den 1920ern gibt es Fastenkliniken, in denen durch Nahrungsentzug die Aktivierung der Selbstheilungskräfte und die Reinigung des Körpers gefördert werden sollen. Doch erst neuere Forschungen konnten die Wirksamkeit des Fastens besser darlegen.

Nahrungspausen – unser natürlicher Rhythmus

Die Vorstellung, einen oder gar mehrere Tage auf Essen zu verzichten, ist für viele Menschen geradezu unvorstellbar. Die zunehmende Verfügbarkeit von Essen und vor allem Zwischenmahlzeiten zu allen Tages- und Nachtzeiten haben dazu geführt, dass wir ständig essen. Doch für unseren Körper stellt dies eine Belastung dar.

Unser Organismus musste sich während seiner Entwicklungsgeschichte an den Wechsel zwischen Nahrungsverfügbarkeit und Mangel anpassen. Das Essen am Tag und das Fasten während der Nacht gehören zu unserem natürlichen Lebensrhythmus. Lebensmittel waren ausserdem nicht ständig verfügbar. Es gab keine überfüllten Supermärkte, Kühlschränke und Take Aways.

Hinzu kommt, dass wir trotz des Überangebots in der Regel viel zu einseitig essen. Lebensmittel sind zu grossen Teilen verarbeitet, enthalten zu viele isolierte Kohlenhydrate, kaum noch Ballast- und Vitastoffe. Übergewicht und ernährungsbedingte Krankheiten wie Bluthochdruck, Arthrose, Diabetes und Gefässverkalkungen sind weit verbreitet.

Fasten und gesunde Ernährung - die perfekte Ergänzung

70% der chronischen Erkrankungen, an denen wir mit zunehmendem Alter leiden, haben ihre Ursache in falscher Ernährung.Ernährungsbedingte Erkrankungen sind kein biologisches Schicksal, sondern wurden erst mit Lebens- und Ernährungsgewohnheiten zur Epidemie.

Prof. Dr. Andreas Michalsen

Fasten setzt den Prozess der Zellreinigung in Gang und hat einen stark entzündungshemmenden Effekt. Daher wirkt es sich allgemein sehr positiv auf chronische Entzündungen aus. Darüber hinaus wirkt es regulierend auf Blutdruck, Blutzucker, und allgemein positiv auf die Herzgesundheit und den Stoffwechsel.

Fasten erhöht ausserdem die Bakterienvielfalt des Darms, verhilft ihr zurück in ein gesundes Gleichgewicht und ermöglicht der Darmschleimhaut, sich zu regenerieren. Insgesamt wird das Immunsystem gestärkt und Selbstheilungskräfte werden aktiviert.

Es wirkt sich sogar positiv auf die kognitiven Funktionen des Gehirns aus und das Risiko für Demenzerkrankungen kann reduziert und der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden. Alterungsprozesse werden verlangsamt und allgemein soll Fasten lebensverlängernd wirken.

Durch regelmässiges Fasten und gesunde Ernährung können wir vielen gängigen Zivilisationskrankheiten vorbeugen, entgegenwirken und unseren Organismus entlasten.

Gesunde Artenvielfalt für unserem Darm

Unser Darm beherbergt an die 100 Billionen Bakterien, ein sehr komplexes Ökosystem, welches an die 1.5 bis 2 kg wiegt. Die Gesamtheit an Darmbakterien wird auch als Darmflora oder Mikrobiom bezeichnet und mittlerweile sogar wie ein eigenständiges Organ betrachtet.

Fasten und gesunde Ernährung wirken sich sehr schnell auf das Mikrobiom aus. Doch wieso ist dies so relevant?

Unsere Darmbewohner übernehmen verschiedenste, wichtige Aufgaben. Sie helfen bei der Verdauung, machen Nährstoffe zugänglich, produzieren unter anderem kurzkettige Fettsäuren, einige Vitamine und Aminosäuren. Das Mikrobiom scheint an fast jeder Entstehung und Vermeidung von Krankheit beteiligt zu sein. Mittlerweile wird vermutet, dass sogar Multiple Sklerose, Morbus Crohn, rheumatoide Arthritis und andere chronische Erkrankungen durch ein Ungleichgewicht in der Darmflora ausgelöst werden. Das Mikrobiom ist elementar für ein funktionierendes Immunsystem und wirkt sich sogar auf unsere Psyche aus.

Vielen ist bekannt, dass Artenvielfalt die Voraussetzung für ein gesundes Ökosystem ist. Das gleiche gilt jedoch auch für unser Mikrobiom. Je artenreicher unser Mikrobiom, desto stabiler unsere Gesundheit.

Verschiedene Faktoren, wie einseitige und stark verarbeitete Nahrung, Antibiotikaeinnahmen und eine hohe Kaiserschnittrate führen zu einer Verarmung der Bakterienvielfalt. Deshalb gibt es mittlerweile sogar ein Forschungsprojekt, bei dem möglichst das gesamte Mikrobiom, welches uns Menschen besiedelt, erfasst und katalogisiert werden soll. Microbiota Vault (mikrobiotischer Tresor) - eine Art Arche Noah für unsere Darmflora. Dazu werden an der Universität Zürich Stuhlproben aus aller Welt bei -80°C eingefroren.

Unser Mikrobiom verarmt. Ohne, dass wir es bemerken, tobt ein stilles Artensterben in unseren Körpern.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Adrian Egli

Die verschiedenen Fastenformen

Am bekanntesten ist das Heilfasten nach Otto Buchinger (1878-1966), dem Pionier des Heilfastens. Beim Heilfasten nimmt man über mehrere Tage nur Säfte oder Bouillon zu sich. Die Kalorienzufuhr wird gedrosselt, damit der Fastenstoffwechsel einsetzt.

Beim Fastenstoffwechsel geht es darum, dass die Zuckervorräte in der Leber aufgebraucht werden. Hormone und Steuersignale stellen den Körper auf den Ersatzbrennstoff Fett um. Dabei werden Fettreserven abgebaut, vor allem aus viszeralem Fett, das heißt um die inneren Organe herum. Als Ersatzbrennstoff für das Gehirn produziert der Körper aus dem abgebauten Fett sogenannte Keton-Körper. Etwa 16 bis 24 Stunden nach Fastenbeginn setzt in den Zellen Autophagie ein. Zellabfälle (wie z.B. Proteine, oder Eisweisse, die nicht gut funktionieren und sich in der Zelle angesammelt haben) werden aus der Zelle ausgeschleust, und die somit gereinigt. Gleichzeitig setzt ein entzündungshemmender und blutdrucksenkender Effekt ein, die Körpersysteme normalisieren sich. Die Effekte auf Bluthochdruck und rheumatische Beschwerden lassen sich monatelang halten, wenn nach dem Fasten auf gesunde Ernährung geachtet wird.

Beim Intervallfasten, auch intermittierendes Fasten genannt, werden zwischen den Mahlzeiten längere Pausen eingelegt. Somit ist es gerade für Fastenanfänger einfacher umsetzbar. Diese Fastenform hat sich aus wissenschaftlichen Erkenntnissen abgeleitet. In Laborversuchen haben Wissenschaftler immer wieder festgestellt, dass Tiere gesünder sind, wenn es regelmässige Nahrungspausen gibt. Diese Tiere hatten weniger chronische Erkrankungen und lebten im Schnitt 20 - 30 % länger.

Intervallfasten ersetzt kein Heilfasten, aber manche Effekte des Heilfastens kann man auch mit Intervallfasten erzielen. Z.B. die Bildung von Ketonkörpern, die sehr wichtig für Stoffwechselfunktionen und Hirnfunktionen sind. Sie beginnt schon nach 12 - 14 Stunden. Es ist noch unklar, ob Autophagie beim Intervallfasten einsetzt. Nebenbei ermöglicht diese Fastenform eine einfach umsetzbare Gewichtsreduktion.

Basenfasten hat mit dem klassischen Heilfasten nichts zu tun. Es setzt
kein Fastenstoffwechsel ein, da zu viele Kalorien gegessen werden. Hier geht es lediglich darum, keine säurebildenden Lebensmittel zu essen.

Heilfasten wirkt auch noch auf ganz anderen Ebenen

Das moderne Leben ist geprägt von Überfluss und Schnelllebigkeit. Hinzu kommt meist Stress, sei es durch zu viel Arbeit, ständige Erreichbarkeit, permanenten Medienkonsum, oder einfach nur ein Überangebot an Freizeitaktivitäten, gepaart mit der Angst, etwas zu verpassen. Wenn der Geist nicht mehr zur Ruhe kommen kann, folgen Schlafstörungen, nervöse Unruhezustände und all die negativen Folgen von Stress.

Im Fasten fällt vieles Weg. Essenseinkäufe, Kochen, die Verdauung schwerer Kost. Unser Gehirn reagiert auf Nahrungsentzug mit einer Aktivierung. Wir werden wacher, vitaler, und können eine verbesserte Sinneswahrnehmung erleben.

Im besten Fall können wir uns für die Fastenzeit eine kleine Auszeit gönnen. Eine Pause vom Alltag mit all seinen Aufgaben, Gewohnheiten und vorauseilenden Gedanken. Damit wir Zeit und Ruhe haben, in uns hinein zu spüren, uns Gutes zu tun und einfach im Hier und Jetzt zu sein. Vielleicht nehmen sich nun auch Fragen und Bedürfnisse ihren Raum, denen im Alltag sonst keine Beachtung geschenkt werden konnte. Diese Zeit eignet sich allgemein sehr gut, um neue Gewohnheiten einzuführen. Ernährungsumstellungen fallen nach dem Fasten besonders leicht, da sich der Geschmackssinn verändert hat. Und auch Bewegung lässt sich leichter in den Alltag integrieren. Doch im Fasten erleben wir ausserdem ein starkes Gefühl der Selbstwirksamkeit, was uns das Vertrauen gibt, auch ganz andere Herausforderungen bewältigen zu können.

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