Nicht das Tragen von Schuhen ist natürlich, sondern das Barfussgehen

„Hast Du Deine Schuhe verloren?“
„Nein, ich bin so auf die Welt gekommen.“

Barfusslaufen ist die natürlichste Fortbewegungsart des Menschen. Doch die wenigsten können sich heutzutage noch vorstellen, barfuss im Alltag unterwegs zu sein, geschweige denn barfuss wandern zu gehen, oder durch einen Waldbach zu waten. Freilauf für die Füsse gibt es höchstens zuhause, im eigenen Garten, oder im Freibad. Dabei ist Barfussgehen nicht nur eine angenehme Erfahrung, sondern auch eine Möglichkeit, unsere Gesundheit auf vielfältige Weise zu verbessern.

Auch wenn unsere Füsse uns ganz selbstverständlich durch das Leben tragen, lohnt es sich, ihnen etwas mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen.

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Der Fuss - ein oft verkanntes Wunderwerk

Unsere Füße sind eine komplexe Konstruktion aus 26 Knochen, fast 30 Gelenken, 60 Muskeln, mehr als 100 Bändern und über 200 Sehnen. Ein Viertel aller Knochen unseres Körpers befinden sich in unseren beiden Füssen. Stützende und stossabsorbierende Bereiche, die durch Quer- und Längsgewölbe gegeben sind, fungieren als äusserst wirksame Stossdämpfer.

Rezeptoren, die in ein System von rund 70.000 Nervenenden eingebunden sind, sorgen dafür, dass unsere Füsse wie ein Sinnesorgan funktionieren. Sie können beispielsweise die Bodenbeschaffenheit, den Dehnungsgrad der Haut oder die Stellung der Gelenke zueinander wahrnehmen. In unseren Füßen befinden sich mehr Sinneszellen als in unserem Gesicht!

Von unseren Zehen zieht sich eine durchgängige Muskelkette hinauf bis zur Stirn. Schon kleinste dauerhafte Veränderungen einer ausgeglichenen Fussstellung haben Einfluss auf die gesamte Körperhaltung. Sie können zu Fehlhaltungen des Beckens, des Rückens, in der Halswirbelsäule und sogar zu Beeinträchtigungen der Augenmuskulatur führen.

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Füsse sind die besseren Schuhe

Wir verpacken in der Regel schon die kleinsten Füsse in Schuhen. Und auch wenn Schuhe vor Verletzungen, Kälte und Nässe schützen, bringen sie auch gewisse Probleme mit sich. Denn die meisten Schuhe schränken die natürliche Beweglichkeit und Reizwahrnehmung ganz erheblich ein. Oftmals werden sie ohnehin mehr wegen ihres Aussehens und weniger wegen ihrer Passform gekauft.

Beim natürlichen Barfussgang wird die Belastung über den ganzen Fuss verteilt und bis in die Zehen abgerollt, unter Nutzung aller Muskeln und Sehnen. In Schuhen werden Füsse in der Regel zu stark gestützt. Muskeln und Sehnen, die nicht genutzt werden, verkümmern mit der Zeit. So ist auch zu erklären, dass die Fussgewölbe vieler Menschen deformiert sind. Senk- und Plattfüsse sind weit verbreitet.

Schuhhersteller werben immerzu damit, mit ihren Produkten unsere Füsse zu unterstützen und sie leistungsfähiger zu machen. Ganz ähnlich wie es auch die Nahrungsmittelindustrie handhabt. Doch tatsächlich ist es das Barfussgehen, welches die natürliche Muskulatur, Sehnen und Bänder der Füsse stärkt, zu einer verbesserten Haltung, mehr Stabilität und einer verbesserten Balance führt. Es kann sogar gegen Rückenprobleme und Fussfehlstellungen helfen. Gleichzeitig wird die Durchblutung gefördert, und eine gute Durchblutung ist wichtig für die Versorgung der Muskeln und Gewebe mit Sauerstoff und Nährstoffen. Auch werden der Lymphfluss angeregt, die Fussgelenke besser bewegt, und die Struktur der Fussknochen gestärkt. Vor allem Kinder sollten deshalb möglichst oft barfuss laufen.

Es geht beim Barfußlaufen nicht um eine politische Bewegung, die uns in die Steinzeit zurückführen möchte. Es geht darum, körperliche Funktionen zu nutzen, die sich im Laufe von Jahrtausenden als sinnvoll erwiesen haben, die uns aber im Zuge der Zivilisation abhanden gekommen sind.

Prof. Dr. med. Thomas Wessinghage
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Grounding – sich wieder mit den heilenden Energien der Erde verbinden

Es gibt noch einen weiteren Aspekt, der das Barfussgehen so interessant macht. Das sogenannte Grounding, zu Deutsch Erdung. Gemeint ist der freie Ladungsaustausch mit der Erdoberfläche.

Verschiedene Studien (z.B. 1, 2, 3) haben die positiven Wirkungen von Grounding bestätigt: es sorgt unter anderem für verbesserte Wundheilung, Blutviskosität und Sauerstoffversorgung des Blutes, sowie verringerte Entzündungsparameter im Blut. Doch vor allem wirkt es Schäden durch freie Radikale entgegen.

Freie Radikale sind Moleküle, denen ein Elektron fehlt. Sie entstehen als natürliches Produkt des menschlichen Stoffwechsels. Diese Moleküle wandern durch den Körper, auf der Suche nach einem Elektron. Wenn sie anderen Molekülen ein Elektron entziehen, beschädigen sie Zellen und Gewebe. Der Körper verfügt zwar über Schutzsysteme, um diese Radikale zu neutralisieren. Doch verschiedenste äußere Einflüsse wie Stress, schlechte Ernährung und Umweltgifte lassen ebenfalls freie Radikale entstehen, so dass ein Überschuss entsteht.

Durch Barfussgehen kann der Körper sich ganz natürlich mit Elektronen versorgen, so dass überschüssige freie Radikale neutralisiert werden. Besonders gut funktioniert dies übrigens auch beim Baden in natürlichen Gewässern, denn Wasser ist ein sehr leitfähiges Medium.

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Unser zivilisiertes Leben spielt sich grösstenteils in geschlossenen Räumen ab, oftmals mit Kunststoffböden oder gar mit synthetischer Wärmedämmung an den Wänden. Auch unsere Schuhsohlen bestehen in der Regel aus Gummi und Plastik, die uns vom Erdboden isolieren und den nützlichen Elektronenfluss zwischen Körper und Erde verhindern.

Warum also nicht öfter die Schuhe ausziehen und die wohltuenden Effekte des Barfussgehens geniessen?

Gesunde Füsse können auch in höherem Alter an das Barfussgehen gewöhnt werden. Lediglich Menschen mit strukturellen Fussschäden oder Verletzungen sollten vorher Rücksprache mit einem Arzt oder Physiotherapeuten halten.

Gerade wenn man mit dem Barfussgehen oder dem Tragen von Barfussschuhen beginnt, ist es wichtig, die Leistungsfähigkeit des Fusses nicht zu überfordern. Die Füsse müssen in kleinen Schritten auf die neue Belastung vorbereitet werden. Als Einstieg kann man mit angenehmen Untergründen und kurzen Laufstrecken beginnen. Die Haut wird mit der Zeit widerstandsfähiger und unempfindlicher gegenüber Verletzungen. Dann kann man auch anfangen, den Untergrund zu verändern und die Distanzen erhöhen. Und wer weiss, vielleicht laufen auch Sie irgendwann am liebsten nur noch barfuss?

Es gibt nichts Gutes, ausser man tut es!

Erich Kästner
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